Das Planungs- und Baugesetz verpflichtet die Gemeinden im Kt. St. Gallen die Gewässerräume bis spätestens am 30.09.2027 auszuscheiden. Das ist die Übergangsfrist zur Anpassung der kommunalen Nutzungspläne ans neue Planungs- und Baugesetz.
Der Gewässerraum setzt sich zusammen aus den beidseitigen Uferbereichen und der Gerinnesohle. Der Kanton hat als Grundlage für die Gemeinden eine unverbindliche Karte mit den theoretischen Gewässerraumbreiten aufgeschaltet.
Das Ziel der Gewässerraumausscheidung ist gemäss Art. 36a GSchG, dass folgende Funktionen gewährleistet sind: Die natürliche Funktion der Gewässer, den Schutz vor Hochwasser und die Gewässernutzung.
Die Gerinnesohlenbreite entspricht bei mittlerem Wasserstand der Breite des Wasserspiegels. Für kanalisierte, eingeengte Gewässer muss zunächst die natürliche Gerinnesohlenbreite ermittelt werden. Gemäss Bundesamt für Umwelt (BAFU) muss dazu, falls eine natürliche Vergleichsstrecke fehlt, die bestehende Gerinnesohlenbreite mit einem Korrekturfaktor multipliziert werden (siehe Tabelle).
Bei grösseren Bachaufweitungen und Kiessammlern wird der Gewässerraum grundsätzlich parallel zur Uferlinie weitergeführt und nicht verbreitert. Die Breite der örtlichen Gerinnesohle eines Kiessammlers, etc. ist für die Gewässerraumfestlegung nicht relevan
Wasserspiegel-Breitenvariabilität | Erscheinungsbild | Faktor |
Ausgeprägt | Ständiger und starker Wechsel der Wasserspiegelbreite, welcher ein abwechslungsreiches Strömungsbild bewirkt oder die Talflanken bestimmen die natürlicherweise geringe Wasserspiegelbreitenvariabilität, oder Gewässer mit natürlicherweise geringer Wasserspiegelbreitenvariabilität wie z.B. Seeabflüsse und Moorbäche. |
1 |
Eingeschränkt | Ufer im Bereich des Böschungsfusses verlaufen nicht parallel, sind aber oftmals stark begradigt. Nur kleine Ausbuchtungen mit geringer Wirkung auf das Strömungsbild. Häufig Verlauf in tiefergelegtem Profil mit gleichmässiger Uferböschung, wobei der Böschungsfuss nicht oder nur teilweise verbaut ist, oder Wechsel der Wasserspiegelbreite selten, oder Ufer im Bereich des Böschungsfusses verlaufen parallel, aber bereits bei mittlerem Abfluss fallen Sand- oder Kiesbänke trocken. |
1.5 |
Keine | Ufer im Bereich des Böschungsfusses verlaufen bei Mittelwasserabfluss parallel, oder sehr geringer Wechsel der Wasserspiegelbreite, oftmals durch ins Gewässerbett eingewachsene Vegetation verursacht. |
2 |
Auf der Basis der Breite der natürlichen Gerinnesohle berechnet sich die minimale Gewässerraumbreite (Tabelle 1). In Schutzgebieten gilt die Biodiversitätskurve (Tabelle 2).
Die Biodiversitätskurve gilt in folgenden Gebieten (Art 41a Abs. 1 GSchV):
Biotope von nationaler Bedeutung und Moorlandschaften von nationaler Bedeutung,
Wasser- und Zugvogelreservaten von internationaler oder nationaler Bedeutung,
Landschaften von nationaler Bedeutung (nur bei gewässerbezogenen Schutzzielen),
Biotope von regionaler Bedeutung (im Filter-Menü nur Kantonale Inventare aktivieren),
Landschaftsschutz- und Lebensraumgebiete (im Filter-Menü nur Kantonale Richtplankarte aktivieren; bei gewässerbezogenen Schutzzielen).
Weiter kann der Gewässerraum vergrössert werden zur Gewährleistung des Hochwasserschutzes, der Revitalisierung, der Gewässernutzung und anderen überwiegenden Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes. Für den Hochwasserschutz muss das Gewässer im Siedlungsgebiet in der Regel für ein Jahrhunderthochwasser (HQ100) dimensioniert sein. Für Einzelgebäude und Infrastrukturanlagen kann eine kleinere Dimensionierung (HQ50) gewählt werden (Hochwasserschutz an Fliessgewässern S. 17, BAFU).
Minimale Gewässerraumbreite (Hochwasserschutzkurve)
Natürliche Sohlenbreite (nSB) | Breite Gewässerraum |
< 2 m | 11 m |
2 m - 15 m | 2.5 x nSB + 7 m |
> 15 m | individuelle Bestimmung der Breite |
Minimale Gewässerraumbreite in Schutzgebieten (Biodiversitätskurve)
Natürliche Sohlenbreite (nSB) | Breite Gewässerraum |
< 1 m | 11 m |
1 m - 5 m | 6 x nSB + 5 m |
> 5 m | nSB + 30 m |
Soweit keine überwiegenden Interessen dagegen stehen, kann in folgenden Fällen auf die Festlegung des Gewässerraums verzichtet werden (Art. 41a Abs. 5 Bst. d GSchV):
Nach dem Gesetzeswortlaut hat die Festlegung des Gewässerraums zu erfolgen, soweit dies für die Zielerreichung nach Art. 36a GschG erforderlich ist. Wenn die Ausscheidung zur Zielerreichung nicht nötig ist, ist darauf zu verzichten. Die Abstandsregelungen für Dünger, Pflanzenschutzmittel und Bewirtschaftung nach ChemRRV und DZV gelten auch dann (siehe Bewirtschaftungsvorschriften).
Talboden ausgefüllt
Der Gewässerraum kann in Gewässerabschnitten reduziert werden, bei denen das Gewässer den Talboden weitgehend ausfüllt und die beidseitig von Hängen gesäumt werden, deren Steilheit keine landwirtschaftliche Bewirtschaftung zulässt (Art. 41a Abs. 4 GSchV). Gemeint sind Abschnitte, wo das Gewässer in keinem oder engem Talboden liegt, und wo es nicht sinnvoll wäre, den Gewässerraum weit über die Hänge hinauf festzulegen, da diese Hänge natürlicherweise frei von Bauten und Anlagen und landwirtschaftlicher Nutzung sind.
Dicht überbautes Gebiet
Der Gewässerraum kann reduziert werden, wenn er an einer oder beiden Seiten dicht überbaut ist. Der Begriff dicht überbautes Gebiet ist gemäss Bundesgericht restriktiv auszulegen. Dazu können bei-spielsweise Kernzonen, Zentrums- oder Wohnzonen mit hoher Belegung zählen. Falls ein dicht überbautes Gebiet vorliegt, kann der Gewässerraum einseitig reduziert werden, ohne Kompensation auf der anderen Seite (unabhängig, ob Bauzone oder Nicht-Bauzone).
Der Gewässerraum kann bewirtschaftet werden als:
Streuefläche, Hecke, Feld- und Ufergehölz, Uferwiese entlang von Fliessgewässern, extensiv genutzte Wiese, extensiv genutzte Weide oder als Waldweide
Das heisst konkret, dass nach der rechtskräftigen Ausscheidung der Gewässerräume durch die Gemeinde die Gewässerräume bei der Strukturdatenerhebung mit einer der oben stehenden Nutzungen deklariert werden müssen. Dies hat Auswirkungen auf die düngbare Fläche des Betriebs.
Reicht der Gewässerraum bei Strassen und Wegen mit einer Tragschicht oder bei Eisenbahnlinien entlang von Gewässern landseitig nur wenige Meter über die Verkehrsanlage hinaus, so kann die Behörde für den landseitigen Teil des Gewässerraums Ausnahmen von den Bewirtschaftungseinschränkungen bewilligen, wenn keine Dünger oder Pflanzenschutzmittel ins Gewässer gelangen können (Art. 41c Abs. 4bis GSchV).
Im Gewässerraum dürfen keine Dünger und Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden. Einzelstockbehandlungen von Problempflanzen sind ausserhalb eines 3 m breiten Streifens entlang des Gewässers zulässig, sofern diese nicht mit einem angemessenen Aufwand mechanisch bekämpft werden können (Art. 41c Abs. 3 GSchV). Die detaillierten Regelungen sind im Merkblatt Pufferstreifen richtig messen und bewirtschaften aufgeführt.
Auch künstlich angelegte Gewässer, sehr kleine Gewässer oder weitere Gewässser ohne festgelegten Gewässerraum sind Gewässer im Sinne des Gewässerschutzgesetzes.
Die Vorschriften der Chemikalien-Risikoreduktionsverordnung (ChemRRV) und, für direktzahlungsberechtigte Betriebe, der Direktzahlungsverordnung (DZV) müssen für alle Gewässer gemäss Gewässerschutzgesetz eingehalten werden. Der Gewässerraum überlagert räumlich die geltenden Abstandsvorschriften entlang der Gewässer nach ChemRRV und DZV (Grafik).
Im Gewässerraum dürfen nur standortgebundene, im öffentlichen Interesse liegende Anlagen wie Fuss- und Wanderwege, Flusskraftwerke oder Brücken erstellt werden (Art. 41c GSchv ). Der Begriff Anlagen in diesem Artikel entspricht Bauten und Anlagen für die eine Bewilligungspflicht besteht im Sinne von Art. 22 Raumplanungsgesetz.
Besitzstandschutz
Bauten und Anlagen sowie bestimmte Dauerkulturen sind in ihrem Bestand geschützt, sofern sie rechtmässig erstellt wurden und bestimmungsgemäss nutzbar sind (Art. 41c Abs. 2 GSchV).
Zonenwidrige Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzone
Das Bundesgericht hat sich für einen erweiterten Bestandesschutz bei zonenwidrigen Bauten und Anlagen ausgesprochen, welcher neben Unterhalts- und einfachen Erneuerungsarbeiten auch Erneuerungen, teilweise Änderungen, massvolle Erweiterungen und einen Wiederaufbau zulässt. Der Umfang der erweiterten Bestandesgarantie richtet sich soweit anwendbar nach den Gesetzesbestimmungen von Art. 24c RPG bzw. Art. 42 RPV im Gegensatz zur eingeschränkten Bestandesgarantie auf Verordnungsstufe in Art. 41c Abs. 2 GSchV.
Zonenkonforme Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzone
Für zonenkonforme Bauten und Anlagen liegt noch kein Bundesgerichtsentscheid vor. Art. 24c RPG gilt nicht für zonenkonforme Bauten, weshalb kein erweiterter Bestandesschutz daraus abgeleitet werden kann und nur Art. 41c Abs. 2 GSchV zur Anwendung kommt. Trotzdem gibt es keinen Grund, zonenkonforme Bauten beim Bestandschutz schlechter zu stellen als zonenwidrige Bauten.
Land- und forstwirtschaftliche Spur- und Kieswege
Für bestimmte Anlagen muss kein öffentliches Interesse vorliegen (Art. 41c Abs. 1 Bst. b GSchV): Sofern keine überwiegenden Interessen entgegenstehen können land- und forstwirtschaftliche Spur- und Kieswege mit einem Abstand von mindestens 3 m von der Uferlinie des Gewässers im Gewässerraum bewilligt werden, wenn topografisch beschränkte Platzverhältnisse vorliegen. Dasselbe gilt auch für standortgebundene Teile von Anlagen der Wasserentnahme und -einleitung.
Die minimale Gewässerraumbreite für stehende Gewässer beträgt 15 Meter ab der Uferlinie.
Bei kleinen stehenden Gewässern mit einer Wasserfläche von weniger als 0.5 ha kann auf die Festlegung des Gewässerraums verzichtet werden.
Weitere Informationen finden sich in der Arbeitshilfe zum Gewässerraum im Kanton St. Gallen.